Die Grenze „Wagah Border“ befindet sich nur 30 km östlich von Lahore. Als ich sie erreiche, bin ich der einzige Kunde. Freundlich und professionell erfolgt die Abwicklung auf Pakistanischer Seite. Das Zollgebäude ist blitzblank sauber. Erinnerungen an die Hütte in Taftan werden wach. Es überkommt mich so etwas, wie Wehmut.

Die letzten hundert Meter vor und hinter dem Tor sind gesäumt von Tribünen. Hier findet allabendlich ein besonderes Spektakel statt, die Grenzschließungszeremonie.
Auf Indischer Seite empfängt mich Gandhi. Von einem Plakat lächelt er mir zu. Etwas Aufmunterung ist durchaus angebracht. Zusätzlich zur Kontrolle von Pass, Visa und Carnet zaubert der Zöllner noch ein paar weitere Formulare hervor. Bis ich einige Wochen später die BMW aus dem Zoll in Bangkok auslöse, dachte ich, mehr an Bürokratie, als in Indien, geht nicht.

Schließlich entlässt man mich aber auch hier und mit stotterndem Motor hopple ich in das dreckigste Land der Welt. Nur wenige Kilometer weiter in Amritsar der erste Vorgeschmack auf indischen Stadtverkehr. Der Motor der BMW treibt mich halb in den Wahnsinn, als ich mich schwitzend bei über 30 Grad durch die engen Gassen quäle. Das Hotel Indus hatte ich vorab ins GPS eingegeben und ich mache drei Kreuze, als man mir an der Rezeption das letzte freie Zimmer gibt. Über Internet bestelle ich als erstes eine neue Membrane mit Lieferung nach Udaipur, wo ich in ein paar Tagen sein möchte.

Amritsar ist berühmt für den „Goldenen Tempel“, das größte Heiligtum der Sikhs. Dieser gelangte 1984 zu trauriger Berühmtheit, als die indische Armee dort tausende von ihnen niedermetzelte. Von der Dachterrasse des Hotels hat man einen direkten Blick ins Innere der Anlage. Heute Abend soll es aber zuerst nochmals an die Grenze gehen. “Closing the border” lautet der Programmpunkt.

Ich miete mir einen Fahrer und kann über das Treiben, das mich dort erwartet nur den Kopf schütteln. Was Inder und Pakistanis dort abziehen, ist für einen Fremden nicht nachvollziehbar. Die Tribünen sind gefüllt bis auf den letzten Platz. Es herrscht Volksfest-Stimmung. Soldaten in Paradeuniformen mit Turbanen, die an Hahnenkämme erinnern, exerzieren die Straße auf und ab, über die ich vor ein paar Stunden noch Mutterstellen alleine gefahren bin. Hindustan-Rufe auf indischer Seite werden beantwortete mit Pakistan-Rufen von der anderen. Am Ende der Zeremonie schütteln sich die beiden Wachhabenden direkt auf der Grenzlinie die Hände. Wer jetzt zwinkert, hat verloren.

Den Goldenen Tempel in Amritsar darf man mit Schuhen nicht betreten. Angeblich wird dessen Boden sogar mit Milch geputzt. Oberschlau stecke ich meine Flip Flops einfach in den Rucksack und deponiere sie nicht in einem eigenen Schuh-Haus. Doch nicht einmal in einer Tasche sind Schuhe erlaubt und man schickt mich tatsächlich wieder zurück. Die Atmosphäre innerhalb der Mauern ist eine ganz eigene. Über Lautsprecher wird die Kulisse stilecht durch Glöckchen-Gebimmel und einen monotonen Singsang untermalt.

Noch in der Annahme, allein die Vergasermembrane sei für den stotternden Motor verantwortlich, breche ich am kommenden Tag auf. Kaum im ersten Stau, beginnt jetzt auch noch die Ladekontrollleuchte zu brennen. Also zurück zum Hotel.

Kurz vor dem Durchdrehen, fluchend und mich mit stotterndem Motor im Schritttempo durch Amritsar quälend, erreiche ich schließlich wieder das Indus. Per Mail nehme ich Kontakt mit Silent Hektik, dem Hersteller der Lichtmaschine auf. Vermutlich hat die Hitze dazu geführt, dass die Wicklungen im Rotor Schaden genommen haben. Um wegen der Zündaussetzer sicher zu gehen, ordere ich zusätzlich eine neue Zündspule mit zwei Kabeln. Zwar zeigen beide Zündkerzen einen Funken, bei der rechten habe ich jedoch den Eindruck, dass dieser nur unregelmäßig kommt. Dann organisiere ich mir in einem Liquor Store ein paar Flaschen Bier und verziehe mich aufs Zimmer, um über Plan B nachzudenken.

Der sieht nun folgendermaßen aus: Am nächsten Morgen um 5 Uhr fahre ich mit dem Zug nach Delhi, miete mir dort in Tony’s Bullett Center eine Royal Enfield und fahre mit dieser nach Agra zum Taj Mahal. Die BMW kann ich beim Hotel lassen. Etwa eine Woche später sollte ich zurück in Amritsar sein und hier die Ersatzteile in Empfang nehmen können.

So hatte ich mir die Reise nicht vorgestellt. Dass Pakistan und Indien zwei Länder sind, die mir einiges abverlangen werden, das war mir zu Hause schon klar. Jetzt aber auch noch diese Panne und noch dazu bei einem fast neuen Bauteil … meine Laune war schon besser.

Man kennt es aus den Nachrichten: Überfüllte Züge mit Passagieren, die noch aus den Türöffnungen heraushängen. Ganz so war es nicht. Ohne Reservierung gibt es kein Ticket auf den weiten Strecken. Die Passagierlisten sind auf Computerausdrucken außen an den Waggons angeklebt. Während der Reise gibt es dann zuerst heißen Kaffee und Tee zusammen mit etwas Gebäck, später ein richtiges Frühstück und permanent frisches Wasser. Pünktlich auf die Minute erreicht der Zug am Vormittag Neu Delhi und bis zur Abholung der Enfield habe ich noch Zeit.

Die verbringe ich im Stau. Ausnahmsweise jedoch nicht auf sondern neben der Fahrbahn. Mein Weg führt mich durch Old Delhi. „Quirlig“ heißt es im Reiseführer. Das ist nicht ganz richtig. Vollkommen überbevölkert muss es heißen. Niemals vorher habe ich es erlebt, dass man auf dem Bürgersteig vor lauter Menschenmassen nicht mehr vorwärts kommt. Über die Straßen brauchen wir nicht zu reden. Vermutlich stehen die Autos, Rikschas, Ochsengespanne, Tuk Tuks, Mopeds und Fahrradfahrer jetzt noch dort.

Um fünf Uhr abends bin ich schließlich bei Tony, um die Enfield zu holen. Schnell werden noch ein Kurzschluss im Zündschloss und ein defekter Blinker repariert, dann nimmt mich ein Mitarbeiter mit zu einer Probefahrt. Im Stadtverkehr von Delhi lerne ich meinen neuen fahrbaren Untersatz das erste Mal kennen. Es ist eine 350er Bullet mit 5-Gang Getriebe, immerhin links geschaltet, Kickstarter und modernstem Bremssystem, sprich Scheibe vorne, Trommel hinten. Die Enfield wird mir nicht vermietet sondern verkauft und ich erhalte eine Rückkaufvereinbarung. Zum Abschied packt man mir zwei Schläuche, ein paar Sicherungen und etwas Werkzeug ein, dann staue ich mich erst zum Hotel und am kommenden Tag nach Süden aus der Stadt heraus.

Delhi ist riesig. Es gäbe eine Art Stadtautobahn, die darf man mit Zweirädern aber nicht befahren und so quäle ich mich im Schritttempo durch die Nebenstraßen in Richtung Süden.

Das Taj Mahal dürfte das bekannteste Bauwerk Indiens sein, ein Grabmal immensen Ausmaßes. Errichtet wurde es Mitte des 17. Jahrhunderts. 20.000 Handwerker waren beschäftigt. Angeblich hatte man ihnen nach der Fertigstellung eine Hand abgehackt, damit sie kein ähnlich prachtvolles Bauwerk schaffen können. Der aus Afghanistan stammende Architekt verschmolz persische und indische Elemente zu einem neuen Stil, auch er soll hingerichtet worden sein. Wahr oder nicht, wenn man durch das Haupttor den inneren Bereich betritt, fällt einem tatsächlich die Kinnlade herunter. Ich bin nicht leicht zu beeindrucken, doch hier konnte ich mich eines leisen „Wow“ nicht entziehen.

Die Stadt Agra selbst steht in vollem Kontrast hierzu. Berge von Müll, in denen die heiligen Kühe stehen, heruntergekommene Gebäude und an jeder Ecke ein Inder, der seine Notdurft verrichtet. Zwei Nächte verbringe ich dort, am späten Nachmittag bevorzugt auf der Dachterrasse des Hotels, die einen grandiosen Ausblick auf das Taj bietet.

Per Mail erhalte ich die Nachricht, dass die Ersatzteile auf dem Weg nach Delhi sind und ich beschließe, die Enfield früher als geplant zurückzugeben, um wieder mit dem eigenen Bike zu reisen. Der kleine Einzylinder ist zwar ganz nett, doch trotz deutlich jüngeren Baujahrs kein Vergleich gegen meine 20 Jahre alte Gummikuh.

Der Spießrutenlauf beginnt, als ich erfahre, dass die Lichtmaschine beim Indischen Zoll hängt. Irgendein Formular, das der Importeur - also ich - ausfüllen muss, fehlt. Kein Mensch kann mir sagen, wie ich daran komme oder wohin es geschickt werden muss. Zwei volle Tage verbringe ich mit Telefonaten. Zwischen diesen schlage ich die Zeit in den wenigen Sehenswürdigkeiten Delhis nieder. Schließlich lässt sich DHL erweichen und händigt mir das Paket nur gegen meine Unterschrift aus. Noch am selben Tag nehme ich den Nachtbus zurück nach Amritsar, um am kommenden Tag vor den staunenden Augen des Hotelpersonals die Lichtmaschine und Zündspule zu ersetzen.

Ich komme mir vor, wie James Stewart, als er im „Flug des Phönix“ versucht, auf Knopfdruck den Motor des aus Trümmern errichteten neuen Flugzeugs zu starten. Und wie er, habe auch ich Erfolg. Die BMW läuft ohne Mucken. Endlich kann ich die Reise fortsetzen.

Der Weg führt mich nach Süden aus der Stadt heraus. Der Highway ist, anders als die Strecke von Delhi nach Agra, nur zweispurig und das erste Mal erlebe ich nun das, was in allen Reiseberichten über Indien gleich beschrieben wurde, den zu Blech gewordenen Wahnsinn auf Indiens Straßen. Warum mir das mit der Enfield nicht in dem Maße aufgefallen war, weiß ich nicht. Hier ist es einfach nur der Horror. Lkws überholen grundsätzlich, ohne sich auch nur den Hauch um andere Verkehrsteilnehmer zu kümmern. Autos rasen mit abartiger Geschwindigkeit auf den wenigen guten Teilstücken Millimeter an einem vorbei und schneiden, wo es nur geht. Mopeds stechen aus Feldwegen ohne zu schauen mitten auf die Straße, Radfahrer kommen einem auf der falschen Seite entgegen. Dazu die allgegenwärtigen Kühe, die auf dem Asphalt liegen, dahintrotten oder am Straßenrand Müll fressen. Ununterbrochen wird gehupt, egal, ob es einen Grund dafür gibt oder nicht. Sinn macht es nie, es kümmert sich sowieso niemand darum.

In Amritsar sagte man mir, Jaipur sei an einem Tag zu schaffen – wie, ist mir schleierhaft. Nach 400 km halbwegs guter Straße mutiert die Fahrbahn zur Piste. Die Durchschnittsgeschwindigkeit sinkt auf 30 km/h. Die Reste des Fahrbahnbelags begegnen einem als 10 cm hohe Asphaltsockel. Deklariert ist die Straße als „Highway“. Wie die Nebenstraßen aussehen, daran möchte ich gar nicht denken. Finden kann man sie sowieso nicht. Die Beschilderung ist spärlich und an wichtigen Abzweigungen oft nur in Hindi.

In Churu übernachte ich, quäle mich anderntags weiter und erreiche Jaipur am Mittag. In der Stadt ist der Verkehr vollkommen zusammengebrochen, es geht – wie immer – nichts mehr. Durch Baustellen und über Bordsteine balancierend stehe ich endlich vor dem Hotel Pearl Palace. Zum Fort Amber, dem Water Palace und dem Palast der Winde lasse ich mich mit einer Motorrikscha fahren.

Zu Hause hatte ich mir für das GPS die Routen zwischen den Sehenswürdigkeiten zusammengestellt. Aufgrund der Panne und dem Drama in Quetta hatte ich inzwischen schon zwei Wochen verloren. Auch war ich bereits mit der Enfield in Agra, sodass ich jetzt auf dem kürzesten Wege über Bundi und die heiligste Stadt der Hindus, Varanasi, nach Kalkutta wollte. Der eigentliche Grund aber war, ich hasste Indien zwischenzeitlich. Jeder Meter, den ich auf Indiens Straßen zu fahren hatte, war ein Graus. Der Straßenzustand unbeschreiblich schlecht, der Verkehr abartig, die Fahrer rücksichtslos, vermutlich irre, Müllberge, Fäkalien und Dreck, wohin man schaut und da man ja nicht pauschal urteilen soll, verkneife ich mir den Kommentar über die Inder selbst. Wenige positive Momente gab es. Einer, als mich Deepak mit noch drei anderen im Wagen, überholt freundlich die Hände schüttelt und fragt, ob er ein Foto von mir und der BMW machen darf. Kein Land der Erde habe ich sonst so negativ erlebt, wie Indien.

Varanasi toppt noch mal alles. Die Stadt liegt direkt am Ganges und zeichnet sich aus durch die zahlreichen Ghats direkt am Fluss. Für Hindus zählt sie zu den heiligsten ganz Indiens. Besonders erstrebenswert ist es, dort zu sterben. Am Manikarnika Ghat werden die Toten verbrannt. Erst taucht man die in Tücher gehüllten Leichen in den heiligen Ganges, dann kommen sie auf den Scheiterhaufen.  Am Ende wird die Asche in den heiligen Fluss gestreut.

Dazwischen fressen Kühe die Blumen von den Kränzen der Toten und Bettler suchen im Müll nach noch brauchbaren Leichentüchern. Gläubige reinigen sich in dieser Brühe, Geschirr wird gespült und auch die Wäsche wird dort gewaschen. Ursprünglich wollte auch ich meine Klamotten hier in die Wäscherei geben. Als ich das sehe und erfahre, dass vermutlich auch meine T-Shirts dort auf den Steinen ausgeschlagen würden, sehe ich davon ab. Früh morgens von einem Boot aus ist die Zeremonie am beeindruckendsten. Ruderboote sind besser, gleiten sie vollkommen lautlos an den Steintreppen vorbei und stören die eigenartige Atmosphäre nicht durch den Krach des Motors.

Für mich eröffnet sich zwischenzeitlich ein neues Problem. Die BMW muss irgendwie nach Thailand kommen. Myanmar ist nach wie vor dicht. Mein Plan war, die Gummikuh von Kalkutta aus per Luftfracht zu versenden, doch leider haben mir zwischenzeitlich alle Speditionen abgesagt. Die Alternative wäre Katmandu in Nepal, doch dort ist derzeit ein Festival, vor dessen Ende in 2 Wochen nichts zu machen ist.

Also beschließe ich, auf gut Glück nach Kalkutta zu fahren und mir am Flughafen direkt eine Spedition zu suchen. So schnell, wie möglich möchte ich jetzt aus diesem Land heraus. Der Highway Nummer 2 zwischen Varanasi und Kalkutta ist vergleichsweise gut ausgebaut, 4-spurig und der Verkehr nicht allzu heftig. Dass man hier nicht einfach, wie bei uns auf der Autobahn, den Blinker setzen kann und überholen, habe ich schon gelernt. Grundsätzlich gibt es Geisterfahrer aller Größenordnungen. Es ist bereits Abend und ich bin kurz vor Asansol. Die Ortsdurchfahrten haben wieder genervt. Schlechter Belag, Stau, blindlings kreuzende Rikschas, Autos und Motorräder.

Ich bin gereizt und fahre mit 90 km/h zu schnell auf dem Highway. Auf einmal fährt ein Radfahrer aus den Büschen im Mittelstreifen direkt vor das Motorrad. Ich hupe, bremse, bin aber einfach zu überrascht, um auszuweichen. „Du hast es versaut, die Reise ist zu Ende, das kann nicht gut gehen“ rast es mir durch den Kopf. Dann kracht es. Ich erwische ihn mit meinem linken Lenkerende, seiner verkeilt sich unter meinen, doch die Masse der BMW schleudert ihn weg. Mein Blinker fliegt in hohem Bogen durch die Luft, ich spüre einen Schlag auf den linken Brustkorb. Dann komme ich torkelnd zum Stehen. Benommen fahre ich links zum Fahrbahnrand. Dort liegt Kies, das Vorderrad rutscht weg, die BMW fällt nach rechts, die Fußraste auf meinen Knöchel. Gott sei Dank trage ich Endurostiefel.
Menschen kommen, helfen mir das Motorrad aufzurichten. Mein Blick geht nach hinten zu dem Radfahrer. Der steht mitten auf der Straße, die Hände auf die Knie gestützt und atmet schwer. Die Leute sagen mir, ich solle verschwinden, schnell abhauen, bevor noch andere kommen. Ich nicke, hebe den Blinker auf und haue ab. Der Fremde ist immer schuld, Geld ist noch das wenigste, was man verlieren kann. Mein Lenker ist verbogen und der Handprotektor hängt nach unten, doch die BMW läuft, das ist das Wichtigste, ich kann fahren.

In Asamsol suche ich mir ein Hotel, kann den Blinker und den Protektor wieder anschrauben. Am kommenden Morgen biege ich mit einem langen Rohr den Lenker wieder gerade. Was bleibt, ist eine Beule im Tank als Erinnerung und als Mahnung.

Den bis dato größten Stau erlebe ich in Kalkutta und bin doch beeindruckt, als ich den Hooghly über eine gewaltige Hängebrücke quere. 14,7 Mio. Einwohner hat die Stadt offiziell. Ob es wirklich eine gute Idee war, gerade hier nach einer Spedition zu suchen? Doch das alles ist mir heute egal. Ich habe noch Punkte einer 5-Sterne Hotelkette und miete mich dreckig, wie ich bin im besten Hause am Platz, dem Hotel ITC Sonar, ein. Von hier starte ich am kommenden Tag meine Recherche und spätestens jetzt rächt sich meine schlechte Vorbereitung der Reise.

Das Festival, das in Katmandu alles ruhen lässt, gibt es in noch ausgeprägterer Form in Bengalen. Kalkutta ist die Hauptstadt von Bengalen. Durga Puja nennt sich das Spektakel, im Rahmen dessen man der zehnarmigen Göttin Durga nebst Gefolge huldigt. Es geht nichts. Nicht nur auf der Straße, vor allem bei den Behörden und in den Büros. Staatsstillstand. Fünf Tage harre ich aus, dann habe ich wenigstens eine Spedition. Diese ist jedoch derartig unfähig, dass ich keinen anderen Weg sehe, als doch nach Nepal zu fahren, möchte ich nicht in Kalkutta versauern.

Eines habe ich zwischenzeitlich gelernt. Man kann in Indien an einem Tag 200 km weit kommen und man kann 600 weit kommen. Bei jeweils gleicher Straßenklassifizierung. Diesbezüglich Experimente mache ich jetzt nicht mehr und fahre den HW No. 2 wieder zurück nach Norden, um dann in Richtung Patna abzubiegen. Von hier sind es noch 200 km bis zur Grenze und weitere 200 km bis Kathmandu.

Im Hotel sagt man mir, man brauche 2 Tage bis in die Hauptstadt Nepals. Tatsächlich fährt Indien auf den letzten Metern nochmals alles auf, was es zu bieten hat und ich verbringe meine letzte Nacht in einer dreckigen Absteige im Grenzort Raxaul.

Einen Wecker braucht man in Indien nicht. Spätestens um 5 Uhr flauzt, röchelt und hustet einer auf dem Flur herum. Heute soll es mir Recht sein. Die Grenze hat angeblich rund um die Uhr geöffnet. Stimmt auch, nur der Zoll nicht. Doch ich habe Glück, ein Beamter ruft den Zuständigen auf dem Handy an und eine halbe Stunde später erscheint ein Mensch im Jogginganzug, der nach nur einer weiteren Stunde und zwei Tassen Tee mein Carnet abstempelt. Endlich! „ Ich habe sowas von fertig“ mit Indien... >>weiter lesen