Am Morgen des 28 März 2010 gießt es, wie aus Eimern. Bevor ich gegen Mittag endlich los komme, habe ich volles Programm: Frau zum Flieger ins Endurocamp nach Aras bringen, die beiden Kids in den Zug zu den Schwiegereltern setzen um dann endlich selbst den langen Weg hinunter nach Spanien in Angriff zu nehmen. Schon ewig bin ich die Strecke über den Brenner nicht mehr gefahren, ging es die letzten Jahre stets Richtung Osten über die Tauern. Es ist saukalt. Vor 17 Jahren war ich das letzte Mal um diese Jahreszeit unterwegs. Damals auf den Weg nach Marokko. Anders, als 1993 suchen mich in den Alpen diesmal jedoch keine Schneeschauer heim.

In alter Tradition fahre ich hinter Innsbruck von der Autobahn ab und nehme die Brenner Bundesstrasse, tanke an der Shell kurz vor der „Grenze“ noch mal voll und bin erst in Brixen von den Sonntagsfahrern so genervt, dass ich mich wieder auf die Autobahn setze. Knappe 2000 km sind es bis nach Aras in der Nähe Valencias, wo meine Frau einen 3-tägigen Endurokurs macht und ich etwas voreilig meinte, dass ich sie dort besuche. Bei dieser Strecke ist nichts mit Bummeln in Norditalien. Zumal sich das Wetter nach wie vor eher bescheiden gibt.

Wenn die Italiener etwas könne, dann ist es Kaffee kochen. Nirgends schmeckt er so gut, wie hier. Am Südende des Gardasees gönne ich mir daher einen Cappuccino, den ich im Stehen an der Bar trinke. So gern ich mit meiner alten BMW 2V nach wie vor unterwegs bin, so unbequem ist sie doch auf langen Etappen. Wenn es darum geht, einfach nur Strecke zu machen, wird die Sitzbank zur Folterbank. Die Menschen, werden sich auch ihren Teil denken, in welchen seltsamen Posen ich da teilweise auf der Kiste sitze. Weit vorne liegend, die Füße auf den hinteren Rasten, dann wieder zurückgelehnt mit den Beinen auf den Sturzbügeln oder im Baustellenbereich, wenn es etwas langsamer zugeht, stehend. Es ändert nichts, der Allerwerteste gibt spätestens nach zwei Stunden das Signal zum Anhalten.

Bis Piacenca bleibe ich auf der Autostrada, dann biege ich ab auf die SS45 in Richtung Genua. Laut Karte müsste die Strasse durch eine Mittelgebirgslandschaft führen, in der es ein Leichtes sein sollte, einen Platz zum Schlafen zu finden. Falls nicht wild zelten, dann ein Albergo irgendwo unterwegs. Schließlich sehe ich links im spitzen Winkel eine kleine Strasse abzweigen. Ich wende und folge ihr. Nach ein paar Metern endet der Asphalt. Zügig steigt der Weg an und führt offensichtlich zu ein paar Bauernhäusern am Hang. Vorher geht jedoch ein weitere steiler und tief zerfurchter Weg rechts ab. Ich stelle die Kuh ab und inspiziere die Sache erst einmal zu Fuß. Der Untergrund ist extrem schlammig, weiter oben sieht es jedoch so aus, als gäbe es eine gute Möglichkeit zum Zelten. Also um die gröbsten Pfützen unten herum gefahren und mit ordentlich Schwung den Hang hinauf. Es geht besser, als ich dachte. Der Heidenau K60, den ich seit einiger Zeit schon hinten drauf habe, meistert die Herausforderung problemlos.
Oben angekommen finde ich tatsächlich den idealen Schlafplatz. Unter den Seitenständer der BMW muss ich wegen des Morastes zwar einen Großen Stein legen, das Zelt kann ich jedoch auf einem trockenen Stück etwas unterhalb aufbauen. Die Hügel auf der anderen Seite des Tals werden von der untergehenden Sonne bestrahlt und ich genieße den Ausblick noch lange.

Hinter Bòbbio rücken die Berge enger zusammen und die Straße wird zur Slalomstrecke. Ein Traum für Motorradfahrer, wäre da nicht der wieder einsetzende Regen. Schließlich schüttet es, wie aus Eimern und ich bin schließlich froh, in Genua wieder auf die Autobahn fahren zu können. Hier herrscht blanke Anarchie auf der Strasse. Im Abstand von 2 Metern rasen die Alphas und Fiats wie die gesengten Säue über die Brücken und durch die Tunnels. Wenn da vorne auch nur einer hustet, kracht’s. Der Vorteil: Man kommt wenigstens vorwärts. Ist es auch „bloß“ eine Autobahn, die E80 entlang der Mittelmeerküste hat schon was. Abgesehen von den baulichen Herausforderung ist der Blick einfach grandios.

Irgendwann haben die Tunnels andere Leuchten und die Schilder sind auf Französisch. Die Cote d’azur ist erreicht. Die französische Riviera zählt zu meinen absoluten Lieblingsplätzen. Die rote Farbe des Esterel Gebirges, die grünen Kiefernwälder und das tief blaue Meer bilden einen einzigartigen Kontrast. Dazu der Duft von Lavendel. In Frejus fahre ich von der Autobahn ab. Eine Sache hat jedoch bereits Ende März Saison – der Stau auf dieser Strecke. Also doch nicht direkt am Meer entlang sondern die RN98 etwas weiter oben durch die Provence. Hier passt alles. Der Himmel ist stahlblau, die Straße tief schwarz, der Belag griffig und die paar Autos schnell überholt. Vor Toulon geht es wieder auf die Autoroute, durch Mini-Tunnels unter Marseille hindurch, ein kurzer Halt direkt am alten Hafen, wo in “French Connection” einst Gene Hackman den Rauschgiftdealer Charnier zur Strecke brachte, und weiter nach Arles in die Camargue.
Mein Haupt bette ich zwischen Beziers und Narbonne zur Ruhe. Stolze Preise haben die Franzosen zwischenzeitlich für ihre Zimmer. Das grundsätzlich aus mindestens 3 Gängen bestehende Abendessen mit Suppe, Steak und zum Abschluss Fromage lässt das schnell vergessen und ich schlafe, wie ein Murmeltier.

Seit zwei Tagen haben wir die Sommerzeit, was bedeutet, dass es in der Früh um sieben noch stockfinster ist. Zu allem Überfluss gießt es wieder, wie aus Eimern. Ich bepacke die BMW, nehme noch einen Café au lait an der Hotelbar, dann stürze ich mich ins feuchte Vergnügen. Motorradfahren bei Dunkelheit im Regen hat seine eigenen Reize. Man sieht nichts. Das Licht der Scheinwerfer bricht sich hundertfach in den Wassertropfen auf meinem Visier. Endlich wird es hell und ich sehe, wo ich hier eigentlich entlang fahre. So hat das keinen Sinn. Im Berufsverkehr durch Wasserfontänen die nächsten 800 km – nein danke. Also doch wieder Blinker raus und abgebogen auf die Autoroute mit Hinweis „peage“.
Vor mir liegen die Pyrenäen und, als ich eine weit gezogene Kurve fahre, sehe ich sie vor mir. Die Wolkendecke endet, wie mit dem Lineal gezogen, direkt über mir und der Blick auf die schneeweißen Gipfel der Dreitausender ist beeindruckend.

In Spanien war ich erst ein Mal. Das ist 17 Jahre her und die damalige Strecke ähnlich. Auf dem Weg nach Marokko bin ich damals ebenfalls an der Küste hinunter bis Almeria gefahren und erinnere mich noch gut an die perfekten Strassen. Irgendwie hatte ich wohl aber eine leichte Lücke in meiner Erinnerung, denn diese tollen Strassen beginnen wohl erst deutlich weiter unten im Süden. Immer wieder starte ich einen Versuch, von der mautpflichtigen Autobahn auf Landstrassen auszuweichen, doch diese führen allesamt direkt am Meer durch ein Urlauberkaff nach dem anderen. Das wäre ja nicht das Schlimmste, doch der Verkehr ist abartig. So leer die Autobahnen auch sind, so voll sind die Landstrassen. Scheinbar der gesamte Schwerlastverkehr drängt sich zwischen den Betonklötzen der Hotelburgen durch schmale Gassen. Gefühlte 1000 Ampeln pro Kilometer, alle rot, erzeugen Staus von galaktischen Ausmaßen. Ich bin nur am Überholen, nein, am Vorbeifahren, denn der Verkehr steht.
Und dann diese Hässlichkeit der Städte. Gerhard Polt kommt mir ins Gedächtnis, als er in „Man spricht Deutsch“ beladen mit Schlauchboot, Sonnenschirm und Liegestuhl durch dieses Labyrinth an Betonwänden fieberhaft das Meer suchte.
Schließlich gebe ich auf und entscheide mich, erst in Castello wieder von der Autopista abzufahren. Ab hier möchte ich über Landstrassen in südwestlicher Richtung nach Aras.

Diese Strecke und das, was ab jetzt kommt entschädigt dann auch tatsächlich für alle Strapazen der langen Anfahrt. Hier sind sie jetzt, die perfekten Landstrassen Spaniens. Unglaublicher Grip, perfekter Belag, traumhafte Landschaft und kein Verkehr. Selten bin ich so gerne Motorrad gefahren, wie hier. Einziges Ärgernis: Meine Landkarte. Einmal mehr habe ich mich für die Spanien-Karte aus dem Reise Know-how Verlag entschieden, die grundsätzlich auch nicht schlecht ist, doch es fehlen die Straßennummern. Da Spanien extrem dünn besiedelt ist, sind fast alle Wegweiser zusätzlich mit den entsprechenden Straßennummern versehen. Die Orientierung wäre so einfach, könnte man die Strasse auf der Karte zuordnen. Tipp daher: Unbedingt die Michelin-Karte nehmen, da sind die Nummern drauf. Mir bleibt daher nichts übrig, als immer wieder nach dem Weg zu fragen. Nur – ich spreche kein Spanisch, nicht ein Wort. Spanisch ist jedoch Weltsprache, warum sollten also die Spanier Englisch können? Irgendwie erreiche ich Aras aber dann doch noch um kurz vor sieben. Gerade in dem Moment, als mir drei Herren auf hochbeinigen BMW Enduros entgegenkommen. Es ist Tomm Wolf mit seiner Gruppe, die nach ihrer Geländetour ebenfalls zurück ins „Basislager“ fahren. Scheinbar werde ich erwartet, er begrüßt mich kurz und ich fahre hinter den dreien her. Nela, hat’s leider ziemlich schlimm mit dem Magen erwischt und so musste sie heute aussetzen.

Den Enduropark „Aras Rural“ nutzen mehrere Veranstalter, unter anderem Tomm alias MALELOBO. Hier bietet er in absolut perfekter Enduro-Umgebung die entsprechenden Kurse an. Die Moppeds, ein Dutzend G 650 X Challenge sind genau das Richtige für die groben Schotterwege dieser Gegend. Abends bei exzellenter spanischer Kost wird Benzin gequatscht. Tomm erzählt von seinen Reisen rund um den Globus, die anderen untermalen dies mit mehr oder weniger spitzen Bemerkungen. Man hat dieselbe Wellenlänge, keiner nimmt dem anderen hier etwas übel, jeder weiß, wie es gemeint ist. Wenn jemand Lust auf Enduro fahren in traumhafter Umgebung hat, Tomm ist nur zu empfehlen. (siehe >>Aras 2011)

Auf meine Anmerkung hin, dass die X Challenge ja echt ein geniales Mopped sei, meint Tomm – und das trifft mich echt tief: „Weißt Du, Thomas, mit Deiner alten GS würde ich maximal noch in den Hirschgarten (Biergarten in München) fahren, die Zeiten für 2 Ventiler sind einfach vorbei...“ Seither hat die Gummikuh einen anderen Namen: „Hirschkuh“

Schließlich heißt es aufbrechen und die Gattin findet hinter mir Platz auf dem Sozius. Wir wollen nach Malaga. Dort steht eine F 650 GS für sie bereit. 700 Kilometer sind es bis dorthin. Nach der Hälfte der Strecke ändern wir unseren Plan und steuern Granada an. Die Stadt mit der einzigartigen Alhambra wollten wir sowieso besuchen und hier liegt sie auf der Strecke. Alle 150 km machen wir Pause. Es wird ein Höllenritt. Pobackem massieren und weiter. Tomm hat wohl Recht, mit der 1200er GS fährt man so etwas entspannter. Hinter Murcia nehmen wir die westliche Route und befinden uns bald auf einer ausgedehnten Hochebene. Bis auf 1400 Meter steigt die Piste an und es wird empfindlich kalt. Dann sehen wir sie, hoch aufragend mit weißen Gipfeln im stahlblauen Himmel. Die Gipfel der Sierra Nevada. Wäre es nicht so schweinekalt, den Anblick könnte man stundenlang in sich aufsaugen.

Aus dem Reiseführer hatten wir uns ein Hostal ausgesucht, die Pensión Hostal Meridiano, und tatsächlich finden wir die Unterkunft auf Anhieb. Wir haben extremes Glück. Es ist Ostern und alle Herbergen sind komplett ausgebucht. Hier hat jedoch in letzter Minute ein Gast storniert und wir kommen genau im richtigen Moment um „einzuspringen“. Vincente, der Vermieter spricht perfekt deutsch, was die Sache vereinfacht. Seiner Restaurantempfehlung folgend laufen wir um kurz nach neun bei „Da Antonio“ ein und belegen den letzten freien Tisch. In der Tat ist das Essen grandios. Der Oktopus und die Lendensteaks ein Gedicht. Zurück zum Hostal sehen wir, dass sich direkt neben unserer Herberge eine kleine Kneipe befindet. Wir gehen hinein und sind sofort begeistert. In einem schmalen Schlauch drängeln sich die Menschen. Zu jedem Getränk gibt es automatisch leckere kleine Schnittchen „Tapas“ und wären wir nicht so satt, allein deswegen würden wir schon bleiben.

Es ist Karfreitag und der Tag gehört ganz dem Bildungstourismus. Mit dem Bus fahren wir hinauf zur Alhambra, naiv genug, zu glauben, wir kämen ohne Karten reserviert zu haben, an Ostern dort hinein. Täglich wird nur ein gewisses Kontingent an Karten ausgegeben und bereits in der Früh um 9 Uhr sind alle vergeben. Bedeutet: „Wir müssen leider draußen bleiben“. Zwar ist es ärgerlich doch für uns Kulturbanausen nicht ganz so tragisch. Entlang der gigantischen Außenmauer schlendern wir hinüber auf den Albaicin den Hügel mit dem ältesten Stadtteil Granadas. Hier in den kleinen Gassen gibt es Fotomotive ohne Ende. Immer wieder öffnet sich der Blick auf die Festung und auf eine der zahlreichen Kirchen Granadas. Wir laufen hinunter ins Zentrum, essen auf der Plaza Nueva eine Kleinigkeit. Am späten Nachmittag steigen wir die Gassen wieder hinauf zum Hügel gegenüber der Alhambra. Jetzt steht die Sonne richtig für die 1000 Fotos. In einem Café sitzend können wir uns nicht satt sehen an den roten Mauern und den dahinter liegenden schneeweißen Gipfeln der Sierra Nevada.

Als wir wieder hinunter kommen in die Altstadt, drängeln sich die Menschen auf den Bürgersteigen der Gran Via de Colon. Dann denken wir, die heilige Inquisition kommt. In schwarze Kutten gehüllt mit blutroten spitzen Hauben a la Ku Klux Klan, unter denen nur zwei kleine Löcher für die Augen freigeschnitten sind, kommt eine Prozession auf uns zu. Die Musik, die dazu gespielt wird, ist dumpf und verleiht dem Ganzen einen zusätzlichen schaurigen Beigeschmack. Es ist die Karfreitagsprozession zweier Büßerorden, die Christus und Maria auf schweren Gestellen in Richtung Kathedrale tragen. Dass die Inquisition im erzkatholischen Spanien noch bis ins 19. Jahrhundert ihre Schreckensherrschaft ausübte, glaubt man beim Anblick dieser Schauergestalten sofort. Für uns ist es ein Erlebnis. Die Kathedrale selbst können wird wegen dieser Veranstaltung leider nicht besuchen, doch zahlreiche andere Kirchen zeugen von der Pracht spanischer Gotteshäuser.

Das Abendessen lassen wir heute in der Tat ausfallen und statten „unserer“ kleinen Kneipe in der Nachbarschaft einen Besuch ab. Tatsächlich erhalten wir zu jeder neuen Runde zwei Schnittchen, die leckerer nicht sein können. Thunfisch, Gebratenes, so etwas, wie Taramas, irre, wie viele Varianten es gibt. Und das Beste: Es kostet keinen Cent. Als wir gehen, zahlen wir nur die Getränke und selbst die sind günstiger, als bei uns zu Hause.

Früh am nächsten Morgen beladen wir wieder die BMW und starten zu der kurzen Fahrt hinunter ans Meer nach Malaga. Es ist unglaublich kalt. Die Strecke führt erneut über eine Hochebene und wir frieren erbärmlich. Nach einer Stunde halte ich zum Tanken und wir wärmen uns in der Tankstelle kurz auf. Mehr als zwei oder drei Grad sind es nicht. Doch irgendwann fällt die Strasse ab, mit jedem Meter, den es hinunter geht, steigt die Temperatur und als wir Malaga erreichen, sind die Strapazen bereits vergessen.

Die Herausforderung in dieser Großstadt Larius Rent a Bike zu finden, meistern wir überraschend gut. Nur drei Passanten müssen wir fragen, die uns fließend auf Spanisch sowie mit Händen und Füßen erklären, wie wir durch das Einbahnstrassengewirr fahren müssen. Um kurz nach 11 können wir die Fahrt nun auf 2 Bikes fortsetzen. Entlang der Küste führt uns der Weg bevor wir nach einem kurzen Aufenthalt in einer dieser scheußlichen Betonstädte am Meer, rechts abbiegen, hinauf ins Gebirge nach Ronda. Die Strecke von Marbella scheint der Racing Club Andalusien für seine Trainingsläufe zu nutzen. Dutzende von Superbikes überholen uns oder kommen in extremster Schräglage, die Knie der Fahrer Rillen in den Asphalt kratzend um die Ecke gepfiffen.

Ronda ist schlicht Klasse. Nachdem wir uns durch die Gassen bis zur Altstadt vorgestaut haben, können wir den positiven Stimmen von Rilke und Hemingway nur beipflichten. Allein die Lage oberhalb der kerzengerade abfallenden Klippen ist gigantisch. Dazu die „Puente Nuevo die „Neue Brücke“ und die Altstadt „La Ciudad“. Wir haben Zeit und sitzen viel in Cafes, um den grandiosen Ausblick zu genießen. Abends ziehen wir los auf der Suche nach einem Restaurant und landen in einer Bar, in der wir das erste Mal die „Zubereitung“ einer spanischen Spezialität live verfolgen können. Die Rede ist vom Jamon Iberico, dem spanischen Schinken. Die armen Säue werden angeblich nur mit Eicheln gefüttert, was dem Schinken seine Farbe und zarte Struktur gibt. Das ganze Stück wird mit Knochen in ein Gestell geschraubt, auf dem es von einem „Schinkenmeister“ aufgeschnitten wird. Wir bestellen eine Portion und sind begeistert.

Über winzige Straßen geht es nach Norden auf der Suche nach den „Weißen Dörfern“. Zahlreiche dieser Pueblos Blancos gibt es um Ronda, die jedes für sich mit einer Besonderheit aufwarten. So machen wir „Mittag" in Setenil, wo über unseren Köpfen die Überhängenden Felsen gleichzeitig als Dächer für die Häuser dienen und kommen beim Besteigen des Kirchenberges von Olvera das erste mal in diesem Urlaub so richtig ins Schwitzen. Über Strassen, auf denen auch die letzten „Angstnippel“ seitlich an den Reifen abgefahren werden können und die Schräglagen ungeahnten „Grades“ erlauben, fahren wir zurück nach Ronda, um dort einen Tag nach Ostern für die Hälfte des Geldes ein weiteres Mal zu nächtigen.

Die Sehenswürdigkeiten liegen dicht beisammen in Andalusien und so ist es auch nicht weit zum nächsten Highlight unserer Reise, der Mezquita von Cordoba.

Die Mauren hatten den südlichen Teil Spaniens noch lange unter ihrer Herrschaft. Viele zeugen daher in extrem gut erhaltenen Zustand noch heute davon. Nach der Alhambra in Granada ist die Mezquita in Cordoba das bedeutendste maurische Bauwerk Andalusiens. Auf gewisse Weise sogar einmalig: Moschee und Kathedrale in einem. Die Mezquita liegt inmitten der „Juderia“, wo wir nach einer gewissen Irrfahrt durch die schmalen Gassen irgendwann tatsächlich das Hostal wieder finden, das wir kurz vorher zu Fuß angesteuert hatten. Es ist bereits spät und so verschieben wir die Besichtigung auf den morgigen Tag.

Früh am Morgen treten wir durch die gewaltigen Tore in das Innere der Anlage, durchschreiten den Orangengarten und gelangen schließlich ins Innere der Moschee. Nachdem sich die Augen an das Halbdunkel gewöhnt haben, ist der Anblick tatsächlich umwerfend. Ein wahrer Säulenwald liegt vor uns. 856 der einstigen 900 Stützen stehen noch. Bei ihrer Errichtung im 8. Jahrhundert stellte die „Ur-Mezquita“ die größte Moschee der Welt dar. Als einen Akt der Barbarei kann man das Bezeichnen, was die Domherren bei Karl V. im 16. Jahrhundert schließlich durchsetzten, die Errichtung einer Kathedrale inmitten der Moschee. Besagter Carlos V. soll seine Entscheidung später angeblich bereut haben. Was will man aber von einem Staat erwarten, in dem die Inquisition bis 1821 (!) noch vermeintliche Ketzer folterte.

Gegen Mittag räumen wir unser Zimmer und beladen die Motorräder. Die 650er muss zurück gebracht werden. Nochmals führt uns der Weg vorbei an Ronda, diesmal jedoch über einen kleineren Pass, den Pto. Del Viento, hinunter ans Meer. Eine weitere Strasse, die das Herz des „geneigten“ Enduristen höher schlagen lässt. Nicht zu unterschätzen sind jedoch die Fahrzeiten. Spanien ist ein Land der großen Entfernungen und so ist es bereits später Nachmittag, als wir oberhalb von Malaga das erste Mal wieder das Meer sehen. Übernachten wollen wir heute in Nerja, ein etwas weniger hässlicher Urlauberort als all die anderen hässlichen. Die Pension Hostal Lorca wählen wir aus, um sie mit unserer Anwesenheit zu beglücken und der extrem hilfsbereite holländische Herbergsvater gibt uns noch die passenden Tipps fürs Abendessen. Die Moppeds schlafen 200 Meter weiter auf einem öffentlichen Parkplatz und sind am nächsten Morgen sogar noch da.

Wir geben die GS ab und packen die alte Hirschkuh wieder für den 2- Personen Betrieb. Zurück geht es nun in Richtung Valencia mit einem Halt in Baeza. Baeza, ebenfalls UNESCO Weltkulturerbe, zählt zusammen mit Ubeda ein paar Kilometer weiter zu den Renaissance-Städten Andalusiens und ist ein wahres Schmuckkästchen. Zur Freude meiner Frau wählen wir als Unterkunft ein hervorragendes Hotel unmittelbar gegenüber eines Schuhladens und starten von dort zu einer spätnachmittaglichen Besichtigung durch die schmalen Gassen.

Der Kommende Tag besteht im wesentlichen darin, Strecke zu machen, was uns so gut gelingt, dass wir Valencia noch bei ausgezeichneten Lichtverhältnissen erreichen und nach Bezug unseres Zimmers unmittelbar zu einer Fotosafari durch die Stadt starten. Valencia kommt in den Beschreibungen nicht gut weg. Warum ist uns beiden ein Rätsel. Die Atmosphäre der Stadt, die Gassen rund um die Seidenbörse, La Lonja, und die Bauten um die zahlreichen Plätze sind grandios.

Früh am nächsten Morgen starte den langen Heimweg nach Rosenheim. Knapp 2000 Kilometer sind es. Tatsächlich geht es, die Strecke in zwei Tagen zu bewerkstelligen, Spaß macht es aber keinen. Die Bilder von Couchähnlichen Sitzbänken großvolumiger 4-Ventil Boxermotorräder werden abgelöst von Erinnerungen an unvergessliche Reisen mit der alten Hirschkuh.

Mal sehen, was die Zeit bringt. Vielleicht fällt die BMW mit 120.000 km ja doch irgendwann einfach auseinander und die Frage, ob die 1200er jetzt kommt oder nicht, beantwortet sich von allein.

Bisher sieht es aber nicht danach aus...