Pünktlich zur Mittagszeit erreiche ich den Schlagbaum auf türkischer Seite. Dort läuft alles sehr zügig ab und 10 Minuten später stehe ich vor einem uniformierten Syrer, der mir erst einmal gebietet, mein Motorrad abzustellen um anschließend mit dem Kopf hinter sich deutend „Police“ zu fauchen.

Im Gebäude stehen 30 Leute, wild gestikulierend vor einem Schalter, hinter dem drei Uniformierte interessiert in Bildschirme blicken, um ab und zu eine Taste auf der Tastatur zu drücken. Eine Weile sehe ich mir das Spiel an und denke mir, ok, irgendwann wirst Du schon drankommen. Das ist ein Irrtum. Ständig kommen weitere Personen zu dem Tresen mit Bündeln an Reisepässen und einem Geldschein dazwischen, um die Prozedur zu verkürzen. Eine halbe Stunde geht das so, bis ich anfange, stinkig zu werden und auf mich aufmerksam mache. Ich erhalte Beachtung dahingehend, dass man mir ein Blatt hinwirft, das ich ausfüllen soll – komplett in arabisch. Auf meine Anmerkung, dass ich das nicht lesen kann, sagt man mir „Name, Surname, Father’s Name“. Na gut, ich fange also an zu schreiben. In der zweiten Zeile angelangt greift sich ein neben mir stehender Syrer den Zettel und dreht ihn um 180 Grad. Mit Fingern auf die einzelnen Schriftzeichen deutend sagt er mir in Englisch, wo ich welche Angabe zu machen habe. Endlich fertig damit, halte ich dem Passfritzen meinen Ausweis mit dem Zettel direkt unter die Nase und schaue so bös ich kann. Überraschender Weise klappt das sogar. mit einem lauten Knall landet der Einreisestempel neben dem Visum. Der Nächste Gang ist zur Bank, wo ich insgesamt 116 US$ für Versicherung und Zoll zu entrichten habe.

Für Syrien ist der Abschluss einer eigenen Versicherung notwendig, die man an der Grenze erhält. Zuerst denke ich, der Banker schickt mich nebenan in die Toilette, nicht in das Versicherungsbüro, bis ich merke, dass es dort noch eine Tür gibt, hinter der ein weiterer Beamter seinen wohlverdienten Mittagsschlaf hält.

Meine Information war, dass ein Carnet de Passage für Syrien nicht mehr notwendig sei. Etwas irritiert bin ich jedoch davon, dass praktische jeder um mich herum mit genau diesem gelben Heft herumläuft. Jetzt endlich verlangt der freundliche Schläfer danach. Statt dessen gebe ich ihm meinen internationalen Zulassungsschein. Er dreht das Ding mehrmals in den Händen und weigert sich, meinen Antrag weiter zu bearbeiten. Schließlich blättere ich das Heftchen auf der Seite mit den Arabischen Buchstaben auf und erkläre ihm, wo er was findet. Und siehe da, kurze Zeit später brummt der Drucker und spuckt meine Kfz-Versicherung aus.

Geprägt ist meine Erinnerung an arabische Grenzen von Büchern in immensen Formaten, in die meterlang Daten eingetragen werden. Und siehe da - es gibt sie noch! Die letzte Station ist tatsächlich der Zoll, der nun, nachdem meine Personalien in drei unterschiedliche Computer eingegeben wurden, nun auch noch alles in besagtes Buch einträgt und – und das haut mich echt um – in zwei Formularblöcke mit Durchschlagpapier.
1 ½ Stunden nachdem ich an der Grenze angelangt war, rolle ich auf der anderen Seite wieder heraus und bin – ich kann’s kaum fassen – in Syrien. 16 Jahre nachdem ich das Land an genau dieser Grenze verlassen habe, reise ich wieder ein. Mein Grinsen dürfte fast zu hören sein, so breit ist es.

Ein kleines Problem gab es allerdings – es war Freitag. Freitag ist in der moslemischen Welt ein Feiertag und das bedeutet, dass unter anderem alle Banken und Wechselstuben geschlossen haben. An der Grenze wollte ich kein Geld tauschen, der Kurs dürfte hundsmiserabel gewesen sein, dass Freitag ist, daran hatte ich aber nicht gedacht. Doch auch hier hatte ich Glück. In Latakia, der nächsten großen Stadt, frage ich in einem Cafe, wo es hier eine Möglichkeit gibt, Dollars zu tauschen. Ein Kartenspieler steht vom Tisch auf, fragt mich, wie viel ich wechseln möchte und gibt mir für meine 50 US$ 2.250 Syrische Pfund. Nicht sicher, ob ich jetzt gnadenlos über’s Ohr gehauen wurde, frage ich in einem Hotel noch mal. Doch auch dort erhalte ich 2.250 für 50 Dollar. Das sollte für die nächsten Tage reichen.

Von Latakia wollte ich die auf dem Weg liegende „Saladin Burg“ besichtigen und weiter über den Gebirgszug Jabal al Ladhiqiyah hinunter in das Al Ghab- Tal, dem der Orontes seinen fruchtbaren Boden schenkt. Immerhin gehört die Saladin Burg oder Qalaat Sayhun zum UNESCO Weltkulturerbe. Scheinbar wollen die Syrer aber nicht, dass man sie besichtigt. Anders ist es nicht zu erklären, dass nicht ein einziges Schild einen Hinweis auf die entsprechende Abzweigung liefert – zumindest keines in lateinischer Schrift. Nachdem ich zum 20. Mal nach dem Weg gefragt hatte, fahren ein paar Jugendliche mit ihren Mopeds voraus und zeigen mir die richtige Abzweigung zur Ruine.
Der Name der Burg ist missverständlich. Saladin hat das Castel keineswegs errichtet. Nach Aufgabe durch die Kreuzritter hat es ihm zu Ehren lediglich seinen Namen erhalten. Auch habe ich schon besser erhaltene Burganlagen gesehen und halte mich daher nur kurz dort auf.

Es ist fast Abend und mit Hotels, geschweige denn Camping Plätzen, sieht es hier schlecht aus. Laut Karte muss es eine Übernachtungsmöglichkeit in Slinfah, der nächsten Kleinstadt geben. Dort ist allerdings die Hölle los. Syrische Touristen verstopfen zu Tausenden die Strassen. Es ist der letzte Tag vor dem Fastenmonat Ramadan und den genießen die Moslems ganz offensichtlich in vollen Zügen. Während des Ramadans ist es ihnen nicht erlaubt, vor Sonnenuntergang zu essen oder zu trinken. Bei 35 Grad im Schatten nicht spaßig. Irgendwann bin ich aus dem Verkehrskneul ohne ein Hotel gesehen zu haben wieder draußen und habe keine große Lust, wieder umzudrehen. Über einen Kamm mit absolut traumhaftem Ausblick fahre ich also weiter, hinunter in das Tal des Orontes.

Auf halber Strecke mache ich Station, um ein Cola zu kaufen und wechsle ein paar Worte mit dem Geschäftsinhaber. Ein Gespräch ist leider – wie in den meisten Fällen – nicht möglich, da kaum ein Mensch Englisch spricht und sich meine Arabisch Kenntnisse auf die Grußformeln, Wasser, Brot und Danke beschränken. Dennoch muss ich das Cola nicht bezahlen, da scheinbar nicht jeden Tag ein vollkommen verdreckter Europäer mit einem Motorrad vor seinem Laden hält, um ein Getränk zu kaufen und ihm zu verstehen gibt, wie toll er die Gegend hier findet.

Im Tal angelangt steht die Sonne schon verdammt tief und ich mache mir langsam Gedanken über meinen Schlafplatz. Der Plan, irgendwo abseits der Strasse wild zu zelten, verfestigt sich mehr und mehr. Was mir allerdings noch fehlt ist Brot zum Abendessen. Eine Dose Tunfisch dümpelt noch irgendwo im Alukoffer herum und Wasser habe ich ausreichend. An einer Konditorei halte ich und frage nach Brot – khubbz. Man verneint und präsentiert mir stattdessen auf einem Teller, was man hier zu bieten hat. Als ich ablehne, schütteln alle nur freundlich den Kopf und halten mir die leckeren Gebäckstücke noch mehr unter die Nase. Offensichtlich soll ich probieren und das Zeug schmeckt wirklich verdammt gut. In den nächsten 5 Minuten nehme ich vermutlich über 2000 kcal zu mir. Zum Schluss kommt auch noch jemand angerannt, der mir zwei Fladenbrote in die Hand drückt. Ich falte sie zusammen, wie eine Zeitung und verstaue sie in meinem Koffer. Zahlen? Was für ein Ansinnen!

Kaum eine Viertel Stunde später entdecke ich an einem Feldweg, der von der Hauptstrasse abzweigt, hinter einer Hecke den idealen Schlafplatz. Es wurde höchste Zeit. Bereits im Dunkeln aber unter einem traumhaften Sternenhimmel, den es wohl nur in dieser trockenen Luft zu bestaunen gibt, esse ich und schreibe mit Stirnlampe meinen Tagebucheintrag.

Das Ziel meiner Reise erreiche ich am nächsten Tag. Nachdem ich mangels lateinischer Wegweiser den Weg wieder erfragen musste und bei der Gelegenheit prompt wieder zum Tee eingeladen wurde, erreiche ich mittags das Ziel meiner Reise, die am besten erhalten Burganlage des Mittelalters, den Crac des Chevaliers oder Qalat al Hosn. Von Norden kommend existiert auch hier nicht ein einziges Schild, das einen Hinweis auf die Festung gibt. Wieder ist Fragen angesagt. Ich gebe zu, dass meine arabische Aussprache sicher zu wünschen übrig lässt. Viele der Gefragten wissen nicht, was ich möchte. Ich denke mir dagegen, was sollte ein Tourist in dieser Gegend des Landes wohl sonst suche, als diese gigantische Kreuzritterburg?

Schließlich stehe ich aber vor den Mauern des Crac und fühle fast so etwas, wie Wehmut. Über 4000 km bin ich jetzt unterwegs und am Ziel meiner Reise. Fast um mich abzulenken fotografiere ich die Mauern der wahrhaft imposanten Anlage aus allen Winkeln und am Ende mich selbst mit Fernauslöser, die Kamera auf dem Stativ. Neben dem italienischen Biker in Istanbul treffe ich hier die einzigen weiteren Motorradfahrer, eine Gruppe von drei Slowaken. Leider kommen wir aber nicht ins Gespräch.

Beeindruckend ist nicht nur die Größe sondern auch die Präzision, mit der die Anlage erstellt wurde. Wie viel Millionen von Steinen wurden hier vor tausend Jahren nur mit Hammer und Meißel bearbeitet, damit sie sich perfekt in die Mauern, in die Gewölbe und in die Bögen einfügen. Eine Kirche im Stile der Hochgotik befindet sich im Inneren. Die Fenster lassen noch erahnen, welcher Aufwand auch hier betrieben wurde. Im April 1271 mussten sich die Johanniter den Belagerern unter Sultan Baibars ergeben und zogen unter Zusicherung freien Geleites ab. Militärisch genutzt wurde die Anlage tatsächlich bis in das 19. Jahrhundert.

Die Sonne steht fast senkrecht, als ich den Anlasser betätige. Es ist nicht mehr weit zu meiner nächsten Station - Palmyra.

Ein kurzes Stück syrischer Autobahn liegt vor mir und anschließend gut 150 km Wüste. Die Strecke ist mir noch in Erinnerung. Damals von Damaskus kommend, wurde die Hitze irgendwann so stark, dass es kühlte, wenn man das Visier schloss. Der Fahrtwind wärmte. Dieses Erlebnis steh mir auch nun wieder bevor.

Palmyra erreiche ich am späten Nachmittag. Mein Ziel ist der Campingplatz Al-Baider, traumhaft gelegen, direkt neben dem Bel Tempel. Früher gab es eine Alternative hierzu, das Zenobia Hotel, in dessen Garten man zelten konnte und was wir seinerzeit taten. Dieses Angebot ist allerdings– und da passt es gut zu Palmyra – Geschichte. Im Licht der untergehenden Sonne wandere ich durch die Säulenalleen, fahre hinauf zur Zitadelle und in das Tal der Gräber. Die Straßenführung ist zwischenzeitlich geändert, beeindruckend ist die Anlage nach wie vor.

Früh am nächsten Morgen bin ich bereits unterwegs zum letzten bedeutenden Ziel meiner Rundreise, dem südlichen Jagdschloss inmitten der syrischen Wüste, Qasr al Hair ash Sharqi. Stand ich 1993 noch mit einem Kompass auf einem Hügel, um am vermeintlichen Pisteneinstieg die Richtung zu überprüfen, führt heute eine asphaltierte Strasse fast bis zu den beiden gewaltigen Rundtürmen. Eine geringe Herausforderung gilt es für mich dennoch zu bewältigen, als ich mit fast leerem Tank die als sicher existierende Tankstelle in As Sukhnah ansteuere und den schlafenden Tankwart erst durch lautes Rufen und Hupen auf meine Existenz aufmerksam machen musste.

Qasr al Hair ist im Wesentlichen ein Trümmerfeld mit Mauer darum und mir stellt sich die Frage, was um Himmels willen man denn hier mitten in der Wüste gejagt haben mag. Irgendetwas mit Falken, vermute ich, und werde in meinen Überlegungen unterbrochen von zwei Jungen, die auf Eseln herangallopiert kommen. Beeindruckt von meiner alten GS ziehen sie kurze Zeit später weiter und ich bin mit dem Wüstenwind wieder alleine.

Die Strecke nach Norden in Richtung Ar Raqqah ist heute durchgängig asphaltiert. Vorbei sind die Orientierungsprobleme an den sich teilenden Spurenbündeln. Hier hatten wir uns seinerzeit mehrmals verfahren und ich hatte am Ende auch noch eine Reifenpanne. Der einzige Nagel im Umkreis von 100km steckte in meinem Hinterreifen. Auf dem Weg nach Norden passiere ich immer wieder kleine Dörfer. Was machen diese Leute hier? Wovon leben sie? Diese Fragen drängen sich auf in dieser Hitze, umgeben von Sand, Geröll und Staub. Auf einer Anhöhe halte ich, schalte den Motor aus und genieße in vollen Zügen die Wüste. Was für eine Weite! Die Straße schlängelt sich in leichten Kurven über sanfte Hügel. Kein Geräusch stört das unendliche Lied des Windes, der über die Ebenen weht. Ich trinke einen Schluck Wasser und sehe in die Ferne. Das ist es , was ich gesucht habe.

In Ar Rusafa, am Nordrand der syrischen Wüste, bieten sich weiter Möglichkeiten, Zeugen der Antike zu bestaunen. Den Motor stelle ich aber erst in Hammam, einem winzigen Ort an der Auffahrt zur Hauptstrasse nach Aleppo ab, um im dortigen Postamt Briefmarken für die obligatorischen Urlaubskarten zu erstehen. Drei Telefonate kostet es den freundlichen Herrn, um herauszufinden, wie hoch das Porto dafür wohl sein mag.

Wieder im Freien und guten Mutes, heute in Aleppo zu nächtigen, drücke ich auf den Anlasser und es geschieht – NICHTS.

Das Problem hatte ich schon einmal, vermutlich hat sich ein Kabel von der Batterie abvibriert, kein Problem. Also Gepäckrollen runter, Sitzbank ebenfalls und nachgesehen. Die Kabel sind fest. Also die Kabel vom Zündschloss. Auch nicht. Sicherungen. Alle ok, langsam wird mir unwohl. Ein Wackelkontakt. Ich zerre am Kabelbaum. Sollte die Batterie...? Aber von einem Moment auf den anderen? Das halbe Motorrad zerlege ich und finde nichts. Umringt von einem Dutzend „Helfern“, die alle mit Tips zur Seite stehen, schraube ich bei über 30 Grad im Schatten an meiner BMW herum. Immer wieder kommt der Vorschlag, einen Mechaniker zu holen. Was will der aber hier ausrichten, denke ich mir. Schließlich gebe ich nach und ein Typ mit ölverschmierten Händen taucht auf, der wohl besagter Experte sein muss. Der fragt mich erst mal nach den Sicherungen, ob ich Benzin im Tank habe und ähnliches. Alles mit Händen und Gesten, Englisch spricht kein Mensch. Nur eines habe ich inzwischen begriffen, in Ordnung heißt „Tamam“ und es ist ALLES „tamam“.

Durch Zufall stoßen die heiligen Hände des Experten an irgendein Kabel und schlagartig brennen wieder alle Kontrollleuchten. Ich drücke auf den Anlasser und die Kiste läuft. 100 Pfund gebe ich freiwillig, 300 will der Experte für sein Rumgenackle an den Kabeln und Angesichts der um mich herumstehenden Meute gebe ich sie ihm.

20 Meter vor mir ist die Einmündung zur Hauptstrasse und weitere 50 Meter weiter befindet sich eine Tankstelle. Genau dort beginnt die Ladekontrollleuchte zu brennen. Ich halte an, schalte den Motor aus und hätte es nicht getan, wenn ich gewusst hätte, was jetzt kommt. Wieder tut sich nichts mehr, nachdem ich den Zündschlüssel drehe. Alles tot. Die Prozedur beginnt von vorne, nur entspannter, da lediglich der Tankwart daneben steht, der mir interessiert über die Schulter blickt. Nach einer halben Stunde bringt er mir eine Flache Wasser. Nach einer Stunde Gefummel und Gesuche entschließe ich mich, den ADAC, dessen langer Arm bis nach Syrien reicht, anzurufen. Die Dame in München versichert mir, in 90 Minuten kommt ein Mechaniker, der den Schaden entweder repariert oder das Fahrzeug zur nächsten geeigneten Werkstatt bringt. Ich muss lachen und sage der Dame freundlich, dass ich da ja richtig gespannt bin, wo sich diese befinden mag.

Es ist Sonntag, es ist kurz vor 17:00 Uhr und ich befinde mich an einer Tankstelle am Rande der syrischen Wüste. Seit dem Morgen habe ich nichts gegessen, ich habe keine Ahnung, wo der Fehler sein könnte und dass hier jemand auftaucht, der das ändert, daran habe ich meine Zweifel.

Kurz vor Einbruch der Dunkelheit bietet man mir an, dass ich in der Tankstelle schlafen kann. Inzwischen sind noch zwei Männer aufgetaucht, die hier tatsächlich zu wohnen scheinen. Man ist unglaublich nett zu mir, hilft, wo es geht aber es ändert nichts an meiner Situation. Nach 2 Stunden meldet sich ein Mitarbeiter des ADAC. Er erreiche den syrischen Kooperationspartner nicht, es liege wohl am Ramadan. Man zeigt mir mein Quartier, einen Raum in der Tankstelle, sauber und mit einer Matte auf dem Boden. Sogar eine Dusche gibt es, auch nicht schlechter, als die in Palmyra auf dem Campingplatz. Was soll’s, auf meinen Reisen durch Asien habe ich eines gelernt: Gelassenheit ist das einzige, das in solchen Situationen angebracht ist. Zu ändern ist es nicht und alles andere verschlimmert nur die Lage.

Kaum ist die Sonne untergegangen, wird aufgetischt. Ich bin eingeladen und meine beiden Gastgeber Abdulla und Adnan bieten mir Humus, Salat, Nudelsuppe, Quark und Brot an. Sogar einen Kaftan bekomme ich zur Verfügung gestellt. Beide sprechen kein Englisch und ich habe nur eine kopierte Seite aus dem Reiseführer mit allgemeinen Floskeln. Für die Länge einer Wasserpfeife nach dem Essen reicht aber der Gesprächsstoff und ich schlafe auf meiner Thermarest wie ein Murmeltier.

Die Realität holt mich am kommenden Morgen ein. Von Seiten des ADAC oder des Kooperationspartners kann mir niemand helfen. Zwischenzeitlich hat meine Frau die Telefonnummer meines Mechanikers in München, Herbert Wimmer, der seinerzeit die BMW-Motorräder bei der Rallye Paris-Dakar wartete, herausgefunden und die des Auslands- Pannendienstes von BMW Motorrad. Letztere waren der Knaller. Ich soll die Batterie prüfen und die Sicherungen, Werkstatt gibt’s in der Türkei. Herbert gab mir die Tips: Kurzschluss im Anlasser, Diodenplatte oder Kabelbruch. Die Diodenplatte war in Ordnung, alles andere konnte ich mangels Prüflampe oder Messgerät nicht prüfen. Aus einer Laune heraus trete ich gegen Mittag auf den Kickstarter – und die Kiste läuft! Es funktioniert nichts, kein Licht, kein Blinker, keine Hupe aber sie läuft und die Ladekontrollleuchte bleibt aus.

Nachdem ich sowieso keine fremde Hilfe erwarten kann, gehe ich das Risiko ein, nach 50 km mit leerer Batterie wieder liegen zu bleiben und beschließe, weiter zu fahren. Die Verabschiedung ist herzlich und auch meine beiden Gastgeber werden dieses Erlebnis wohl noch Jahre in ihrer Erinnerung behalten. Ich fahre nach Westen, an Ath Thawrah vorbei, biege in Mahdum ab nach Norden in Richtung Manbij und weiter nach Jarabulus zur Türkischen Grenze. Die BMW läuft. Sie läuft, ich kann es kaum fassen. Nach zwei Stunden Fahrt bin ich mir sicher, der Generator lädt, die Batterie ist ok., ich habe sonst keinen Strom aber zur nächsten Werkstatt in der Türkei schaffe ich es sicher. Langsam nähere ich mich der Grenze. Sollte ich wieder einmal nach Syrien fahre, werde ich dies über den Grenzübergang bei Jarabulus tun. So etwas habe ich noch nicht erlebt.

Vor dem Zollgebäude sitzen die Beamten ins Gespräch vertieft. Ich solle mein Motorrad dort abstellen, da hinten sei die Polizei. Also ab mit dem Pass dorthin. Als einzigem Grenzgänger wird mir ein Glas kaltes Wasser serviert und ein Stuhl angeboten. Derweil tippt ein Polizist meine Daten in einen Computer. „Tax Stamp“, bedeutet man mir, irgendwelche Steuern, die zu bezahlen sind. Zurück zum Zoll mit der illustren Männerrunde vor dem Gebäude. „Quatsch”, meint der Zöllner, “er regelt das“, nimmt mich an der Hand und geht mit mir zusammen zur Polizei. Ach ja, das hat er vergessen, 500 Pfund muss ich zahlen. Ich habe keine 500 Pfund. Egal, 12 Dollar tun’s auch. Der Zöllner wechselt. Ist außerhalb der staatlichen Banken streng verboten aber was soll’s. Man klebt Marken und zeigt mir auch, dass es tatsächlich Steuermarken sind, kein Bakschisch. Ob ich Tee möchte? Ich schaue dumm, überlege kurz - ja, eigentlich schon. Man kehrt zurück mit einem Glas Tee für den Aleman. Nach 15 Minuten ist alles erledigt, ich trete die BMW an und holpere über Bahngleise hinein in die Türkei. Tschüss Syrien, ich hab’s genossen – mit allen Hochs und Tiefs...  >>weiter lesen