Die Syrer haben es dann abgesehen auf unsere Devisen. Zwangsumtausch 60,- DM für Zoll und Versicherung (2009 sind es 100,- US$). Der Kurs ist 100 : 625 anstelle 100 : 2.600. Klar, dass wir das Risiko eingehen, im Land schwarz zu tauschen. Noch am selben Tag besichtigen wir die Ruinen von Bosra. Beeindruckend nicht nur das Theater und die restlich Hinterlassenschaften aus der Antike, nein, mehr beeindruckt uns, dass zwischen all den Trümmern tatsächlich Menschen leben. Bosra ist live gewordene Antike, vorbei an klassischen Säulen schleppen die Frauen ihre Einkäufe.

Einmal mehr schlagen wir unser Zelt in der Pampa auf. Inmitten einer kargen Steppe geniessen wir den Abend. Eine unglaubliche Ruhe und die weite der Landschaft zieht uns in ihren Bann. Lange noch blicken wir über die Ebene in die untergehende Sonne, um uns zufrieden in unsere Schlafsäcke zu rollen. Am kommenden Morgen folgen wir der Naturstraße weiter. In der Ferne erblicken wir ein Nomadenzelt. Hunde springen heran, bellen und schnappen. Ich komme an den Tieren noch vorbei, Nela hat sie jedoch direkt vor sich auf dem Weg. Aus Angst, sie zu überfahren stoppt sie, findet keinen Halt und die Fuhre kippt auf die Seite. Ich wende, helfe Ihr, die BMW aufzurichten während die Meute sich zurück zum Zelt trollt.

Dann erreichen wir Damaskus. Was für ein Name, was für eine Stadt. “Damskus, Perle am Fuße des Antilibanon”, so steht es in den Reiseberichten des letzten Jahrhunderts und in der Tat, Damaskus ist von ganz besonderem Reiz. Unsere erste Intension ist es, ein passables Hotel zu finden. Das ist nicht leicht. Die Vorschläge der Billighotels aus unserem Reiseführer sind durchgängig inakzeptabel. Mag der Preis für eine Nacht auch noch so günstig sein, ein Sechsbettzimmer mit gebrauchter Bettwäsche und Klo auf dem Flur muss es doch nicht sein. Das Problem, es gibt nichts anderes in dieser Preisklasse. Entweder 400,- US$ für ein Zimmer, das deutschem Gasthaus-Niveau entspricht oder Minimum 40,- $ für eine Bude mit eigenem Bad. Wir wählen letzteres, schleppen unser Gepäck auf’s Zimmer – 5. Stock, der Lift ist defekt, der Kühlschrank verschimmelt. Direkt neben dem Hotel befindet sich eine „Kneipe“. Alkohol ist den Moslems untersagt, dennoch wird in Syrien Bier gebraut. Wir erliegen der Versuchung und betreten die Kaschemme. Um uns herum sitzen die „Gläubigen“ und löten sich successive mit dem Gerstensaft die Birne zu. Die Atmosphäre ist unschön und wir verlassen das Etablissement relativ zügig.

Damaskus ist beeindruckend. In seinen Ausmaßen und vor allem in seiner Ursprünglichkeit. Wir passieren eine kleines Ladenlokal. Unzählige Flaschen stehen in den Regalen. Es duftet nach 1000 und einer Nacht. Dann verstehen wir. Hier kann man sich seinen eigenen Duft mischen lassen. Wir passieren Straßencafés riesigen Ausmaßes. Die Männer sitzen dort, einen Tee vor sich, das Mundstück der Wasserpfeife in der Hand, mit dem Nachbarn angeregt ins Gespräch vertieft.
Unser Weg führt uns zum Bahnhof. Dieser hat schon lange seine Schalter geschlossen. Es ist das eine Ende der Hedschasbahn, der Zugverbindung zwischen Damaskus und Bagdad. Die Strecke ist zwischenzeitlich verfallen, ein paar letzte Güterwaggons rosten auf überwucherten Gleisen vor sich hin. Die Schalterhalle ist, gleich eines Museums, in makellosem Zustand. Abgefertigt wird hier jedoch kein Reisender mehr.

Es ist heiß, drückend, das Hemd klebt am Körper. Wir gehen zum Basar. Hohe Gänge, Kühle im Vergleich zu draußen. So groß Damaskus auch sein mag, der Basar ist angenehm übersichtlich. Einzigartig sind die Läden mit Gewürzen. In allen Farben des Regenbogens und mit unglaublichem Duft bietet man die Pulver, Kapseln, Blätter und Körner in offenen Säcken feil. Einige Schritte weiter: Hunderte, tausende von Schuhen hängen an Stahlgerippen von den Wänden, Kleidungsstücke in unmöglichen Farben und Formen und natürlich Teppiche. In einem weiteren Gang Gold, Schmuck, Silberdosen, Leuchter, ...In einem Laden kann man Wasserpfeifen kaufen. Die Vase, der Stiel, Schlauch und Mundstück können kombiniert werden. Wir schlagen zu und tragen unsere Eroberung zum Hotel.

Zwischenzeitlich ist die Dämmerung hereingebrochen. Hinter unserem Hotel war ein Markt. Obst, frisches Gemüse und Fleisch. Der Markt geht zu Ende. Wir biegen um ein Eck und schrecken zurück. Eine Gebeinehaufen immensen Aufmasses liegt vor uns. All die Knochen, die von den Metzgern hier auf dem Markt aus dem Fleisch geschnitten wurden, liegen dort. Katzen tummeln sich, deswegen wohl keine Ratten. Es dauert nicht lang, ein Laster kommt, Männer mit Schaufeln ... Es ist zu dunkel für Fotos. Ich ärgere mich bis zum heutigen Tag. Zwei Nächte bleiben wir, dann sind wir ein Stück weit froh, aus dieser verwanzten Bude ausziehen zu können.

Weiter geht es nach Norden, dem Wegweiser Aleppo folgend. Wenige Kilometer hinter Damsakus, in Duma, verlassen wir die Autobahn und wenden uns nach Osten. Unser Ziel heißt Palmyra. In Qumayr tanken wir und ziehen mit unseren Motorrädern die Aufmerksamkeit der halben Dorfbevölkerung auf uns. Ein Mann blickt auf die Aufkleber, die wir in Aqaba gekauft hatten, grinst über das gesamte Gesicht und deutet uns, zu warten. Kurze Zeit später kehrt er zurück mit einem Koran. Begeistert darüber, dass zwei Westeuropäer die Sprüche Mohameds auf ihrer Ausrüstung tragen, überreicht er uns das Präsent. Noch heute hat dieser Koran einen Platz in meinem Bücherregal obwohl ich nie eine Zeile in ihm gelesen habe – er ist komplett in Arabisch.

Wir passieren endlose Weiten, die Hügel um uns werden zu Bergen. 1.300 Meter hoch sagt die Karte. Die Landschaft ist faszinierend. Dass Eintönigkeit und Kargheit derart schön sein kann. Palmyra erreichen wir am späten Nachmittag. Wir sind überwältigt. Überall auf der Welt wäre das Gelände mit Zäunen abgesperrt, es gäbe Tore, Wachposten, Eintritt wäre zu zahlen. Nicht hier. Buchstäblich durch die Trümmer führt die Hauptstrasse. Säulen, tausende von Jahren alt stehen neben dem Asphalt, über den sich ein alter Laster schleppt. Unser Zelt schlagen wir auf im Garten des Hotels Zenobia. Es gibt kaum Campingplätze in Syrien, verschiedene Hotels bieten diesen Service an. Das Hotel selbst ist für unseren Geldbeutel nicht geeignet. Agatha Christi nächtigte dort einst, entsprechend sind die Preise. Wir treffen ein deutsches Pärchen mit zwei Suzuki RD 350, kommen ins Gespräch und tauschen Erfahrungen aus. Die beiden wollen durch Libyen bis nach Marokko. Abends sitzen wir im Restaurant des Hotels an einem Tisch aus vorchristlicher Zeit, dem Kapitell einer Säule. Den touristischen Einschlag Palmyras bemerken wir deutlich an der Speisekarte – es gibt Wiener Schnitzel mit Pommes. Nach drei Wochen arabischen Essens – so lecker es auch ist – outen wir uns und bestellen zwei Portionen.

So beeindruckend Palmyra auch sein mag, so schnell ist es doch besichtigt. Am kommenden Morgen kaufen wir Wasser, etwas zu Essen und machen uns auf, weiter in Richtung Osten, tiefer in die Syrische Wüste zum Jagdschloss Qasr Al Hir und von durt nach Norden auf die Verbindungsstrasse nach Aleppo.

Der Pisteneinstieg ist schlecht zu finden. Wir orientieren uns nach den Angaben in unserem Reiseführer. Von der Hauptstraße in Richtung Dayr az Zawar biegen wir nach gut 75 km ab nach Norden. Stoppen immer wieder, um anhand des Kompass die Richtung zu überprüfen. Obwohl wir keinerlei Häuser sehen, muss es in der Ferne Zahlreiche Dörfer geben. Spurenbündel teilen sich wild, was die Orientierung ungemein erschwert. Schliesslich stehen wir vor einigen Mauern und einem Trümmerfeld auf der gegenüberliegenden Seite. Das kann das Wüstenschloss noch nicht sein, laut Routenbeschreibung ist die Strecke dort hin länger. Dennoch, die beiden großen Rundtürme links und rechts des Portals sind eindeutig.

Lange halten wir uns nicht auf, starten die Motorräder und fahren weiter Richtung Norden, passieren unzählige Gräben mit Sandverwehungen bis Nela bei einem Stop schließlich zu mir sagt: „Du hast da einen Platten“. Auf dem losen Untergrund war es nicht zu merken, jetzt sehe ich es aber selbst. Eine Nagel steckt tief im Reifen. Vermutlich der einzige Nagel im Umkreis von 100 km. Mist! Die Felgen der BMW sind zwar für schlauchlos Reifen konzipiert, dennoch hatte ich Schläuche eingezogen. Also packe ich die Montiereisen aus, baue die Koffer ab und das Hinterrad aus. Herunter bekomme ich den Reifen noch relativ problemlos, finde das Loch, klebe es zu und beginne dann den Reifen wieder auf die Felge zu ziehen. Einen Niederquerschnittreifen in eine Tiefbettfelge. Natürlich habe ich nur eine Handluftpumpe mit maximal zwei bar. Immer und immer wieder kontrolliere ich den Rundlauf und immer wieder steht der Reifen auf einer Seite weiter aus der Felge. Irgendwann hatte ich mit viel Seifenwasser und Geknete den Reifen gleichmäßig auf der Felge.

Zwischenzeitlich wurde es dunkel. Nela nutzte die Zeit, inmitten der Wüste verdorrte Zweige zu suchen, um ein Feuer zu machen. Wir schlagen das Zelt auf und verbringen so – unfreiwillig - eine weitere sternklare Nacht, inmitten der Wüste. Am kommenden Tag treffen wir auf die relativ gut zu erkennende Strecke nach As Sukhnah, folgten dieser zurück zur Hauptstrasse und schließen das Kapitel „Wüste“ für diese Reise ab. Die Motivation, alle paar Kilometer den Kompass zu zücken und Spurenbündel zu entziffern ist dahin.

Aleppo, die größte Stadt Syriens meiden wir und fahren bis an die Küste nach Latakkia, um von dort nach Norden in die Türkei einzureisen. Syrien ist moslemisch, Moslems trinken keinen Alkohol und deswegen sollte man in moslemischen Ländern das auch einfach bleiben lassen. Was mache aber ich, bestelle in einer Wirtschaft ein Bier. Das kommt, ist brühwarm und als ich bereits den ersten Schluck genommen hatte, merke ich, dass es vollkommen verdorben ist. Fäden ziehen sich in der Flasche. Na bravo. Es kommt, wie es kommen musste. Bereits in der Nacht geht es los. Alles in mir will raus. Volle drei Tage dauert der Spuk, dann ist es vorbei. Nela besichtigt derweil Latakkia, möchte sich in ein Cafe setzen, um auszuruhen. Um sie herum aber nur Männer. Frauen haben in arabischen Gaststätten ohne männliche Begleitung nichts zu suchen. Irgendwie traurig, ein Zeichen für Intoleranz und ein Armutszeugnis für die gesamte islamische Welt!

Heute verlassen wir Syrien. Mittags sind wir an der Grenze zur Türkei, lassen das Carnet abstempeln und befinden uns quasi im „Westen“...  >>weiter lesen